Kinderkrebs – wie man damit umgeht und welche Rolle die Ernährung spielt

Wer mit Krebs konfrontiert wird, bekommt auch heute noch eine Schockdiagnose. Und wenn ein Kind betroffen ist, ist es umso schlimmer. Doch habt ihr gewusst, dass die Forschung inzwischen so weit ist, dass 4 von 5 Kinder wieder geheilt werden können? Die neue Sensibilisierungskampagne von Kinderkrebs Schweiz klärt den ganzen November über die Wichtigkeit der klinischen Forschung auf, weil diese dringend Unterstützung braucht. Ich habe mit einer Kinderärztin gesprochen, die täglich mit krebskranken Kindern zu tun hat.

 

In so vielen Familien kommt Krebs heute in irgendeiner Form vor. Krebs bei Kindern ist zwar seltener als bei Erwachsenen, und doch erhalten in der Schweiz etwa 300 Kinder und Jugendliche jährlich die Diagnose Krebs und jede Woche stirbt ein Kind. Doch Krebs bei Kindern ist anders als bei Erwachsenen, einerseits bei den Erkrankungsformen und andererseits, wie die Therapien anschlagen. Deshalb ist es wichtig, die Fakten sowie den neusten Stand der Forschung zu kennen. Auch wenn eine Diagnose im ersten Moment schlimm ist – es gibt heute gute Heilungschancen – gerade bei Kindern. Die neue Sensibilisierungskampagne von Kinderkrebs Schweiz möchte hier wichtige Aufklärung leisten und insbesondere zeigen, was die klinische Forschung alles leistet. Gerne habe ich mich bereit erklärt, dabei mitzuhelfen und unterstütze die Kampagne.

Die verschiedenen Krebserkrankungen bei Kindern.

Ohne Forschung keine Heilung

Auf der Kampagnenseite finden sich ein bunter Mix aus Sachinformationen der klinischen Forschung, Interviews und bewegenden Videoclips zum Thema Kinderkrebs. Wichtig ist wohl die Aussage, dass heute ohne die Forschung viel weniger Kinder geheilt werden könnten.

Da ich das Thema auch hier auf dem Blog aufgreifen möchte, hat mich insbesondere interessiert, welche Rolle denn die Ernährung bei einer Diagnose aber auch zur Vorbeugung spielt.

 

Frau Eva Maria Tinner ist Ärztin für pädiatrische Onkologie und Hämatologie am Inselspital in Bern und selbst tätig in der Forschung. Sie hat mir sehr informative Antworten auf meine Fragen geliefert:

 

INTERVIEW

Frau Eva Maria Tinner, Sie sind Ärztin für pädiatrische Onkologie. Ist die Arbeit mit Kindern, die Krebs haben, nicht besonders schwierig? Wie gehen Sie damit um?

Viele denken, dass die Arbeit als Kinderonkologin speziell belastend ist. Wahrscheinlich liegt das daran, dass eine Krebserkrankung in unserer Gesellschaft als Todesurteil wahrgenommen wird. Die Arbeit ist oft genug belastend, aber wir haben in den letzten Jahrzehnten sehr grosse Fortschritte gemacht und heilen aktuell mindestens vier von fünf von Krebs betroffene Kinder. Als Ärzte können wir als Teil des interdisziplinären Behandlungsteams den erkrankten Kindern und ihren Familien helfen, die schwerwiegende Krankheit möglichst gut zu überstehen. Dabei lernen wir die Kinder und ihre Bezugspersonen im Laufe der Behandlung und der Nachsorge gut kennen. Es ist immer wieder schön mitzuerleben, wie die Kinder die schwere Zeit überstehen, sich danach erholen, nach und nach ihr Leben und ihre Kindheit zurückerobern und aufwachsen. Ich denke, dass das in anderen Spezialitäten der Kindermedizin schwieriger ist, in denen man oft Kinder betreut, die chronisch krank sind und deren Gesundheit sich kontinuierlich verschlechtert.

Wir haben auch das Glück, dass wir uns im Vergleich zu anderen Ärzten viel Zeit für unsere Patienten nehmen dürfen.

Denjenigen Kindern, die wir nicht retten können, kann ich ebenfalls helfen, indem ich dafür sorge, dass sie die verbleibende Lebenszeit soweit machbar selbstbestimmt, im Kreis ihrer Angehörigen und mit möglichst wenig leidvollen Beschwerden verbringen können.

Ich bin dankbar, einen derart erfüllenden Beruf zu haben.

Ganz generell: welche Rolle spielt eine gesunde Ernährung für die Krebsvorsorge?

Bei Krebserkrankungen der älteren Erwachsenen spielt die Ernährung eine relativ grosse Rolle. Vor allem bei Darmkrebs, wo eine faserreiche Ernährung mit vielen Früchten und Gemüse das Erkrankungsrisiko senkt. Starkes Übergewicht erhöht das Krebsrisiko.

Die Ursachen für Kinderkrebs sind kompliziert. Die ersten Mutationen der Vorläufer der Krebszellen sind wahrscheinlich fast immer angeboren (aber meistens nicht in der Keimbahn vorhanden, also nicht in allen Körperzellen). Bei einer Minderheit der Kinder, die solche Mutationen haben, entsteht Krebs. Zum Teil ausgelöst durch einen banalen Infekt zum falschen Zeitpunkt. Es gibt so etwas wie eine „Leukämie-Saison“ mit gehäuften Neuerkrankungen und man weiss, dass die Kinderkrebsrate vorübergehend ansteigt, wenn isolierte Bevölkerungsgruppen plötzlich mit vielen neu zugezogenen Menschen in Berührung kommen, zum Beispiel, weil in ihrem Wohngebiet eine neue Fabrik Arbeitskräfte anzieht.

In Bezug auf Schadstoffe ist es eher die Exposition der Eltern, die eine Rolle spielt. Dr. Ben D. Spycher und sein Team vom Institut für Sozial und Präventivmedizin in Bern haben bereits einige Studien publiziert, die Umwelteinflüsse auf Kinderkrebs untersucht haben. Bis jetzt konnte er zeigen, dass die Belastung mit ionisierender Strahlung (z.B. Radon) das Risiko erhöht, dass Eltern, die beruflich Benzol (z.B. in Garagen, an Tankstellen)ausgesetzt sind, vermehrt Kinder mit Leukämie haben, und dass Kinder, deren Familien nahe an Autobahnen wohnen, ebenfalls gefährdeter sind, eine Leukämie zu haben. Diese Effekte sind aber nicht riesig.

Im Allgemeinen kann man sagen, dass es einfach ein unglücklicher Zufall ist, wenn ein Kind an Krebs erkrankt und dass es niemand hätte verhindern können.

Weitere Informationen:

Background Ionizing Radiation and the Risk of Childhood Cancer:

Studie in Google Suche

Sind also Kinder, die sich schlecht ernähren, nur von Fastfood etc. gefährdet, irgendwann eher Krebs zu bekommen?

Nur in Bezug auf die Krebserkrankungen im Erwachsenenalter.

Wenn ein Kind an Krebs erkrankt, muss es seine Ernährung ändern?

Die Ernährung ist während einer Therapie ein grosses Thema. Meistens ist das Problem eine zu geringe Kalorienzufuhr, wegen Übelkeit, geschädigten Schleimhäuten, schweren Infekten und einem veränderten Geschmackssinn. Die Kinder brauchen dann hochkalorische Nahrungsergänzungsmittel. Zur normalen Kost erhalten sie oft auch zusätzlich Sondennahrung über eine Magensonde oder eine PEG- Ernährungssonde, die über einen künstlichen Zugang direkt in den Magen gelegt wird. In den Phasen mit Mukositis, wenn die Schleimhäute im Mund und Magendarmtrakt stark geschädigt sind, kann auch eine parenterale Ernährung über Infusionen direkt ins Blut erfolgen. Wenn die Kinder zu wenig Kalorien bekommen, werden sie schwach, energielos und bedrückt. Der Effekt einer Sondenernährung ist sehr eindrücklich in diesen Situationen.

In einigen Therapien z.B. bei Akuter Lymphoblastischer Leukämie oder bei Lymphomen sind Steroide (Prednison, Dexamethason) wichtige Chemotherapeutika. Diese verursachen Heisshungerattacken rund um die Uhr und Lust auf salziges Essen. Da braucht es Tipps, um eine zu rasante Gewichtszunahme zu vermeiden. Viele Eltern müssen trotzdem mitten in der Nacht Spaghetti kochen.

Nach Abschluss der Therapie steht das Minimieren von Spätfolgen im Fokus. Leider haben Erwachsene, die als Kind Krebs hatten, aufgrund ihrer Behandlung ein hohes Risiko, chronische Gesundheitsprobleme zu entwickeln. Insbesondere die kardiovaskulären Risiken kann man mit einer gesunden Ernährung positiv beeinflussen.

Welche Rolle spielt eigentlich der Sonnenschutz beim Krebsrisiko?

Sonnenschutz ist sehr wichtig, um das Hautkrebsrisiko zu minimieren. Hautkrebs tritt sehr selten im Kindesalter auf. Nach einer Krebstherapie mit Bestrahlung oder Stammzelltransplantation ist der Sonnenschutz zur Vermeidung von Zweittumoren extrem wichtig, auch wenn er das Risiko nicht auf Null senken kann.

Und zum Schluss: gibt es Lebensmittel, die besonders gut vor Krebs schützen sollen?

Diese Frage kann ich nicht eindeutig beantworten. Das Problem der Studien, die solche Zusammenhänge feststellen, ist, dass sie oft so viele Nahrungsmittel gleichzeitig testen, dass rein per Zufall eines als „signifikant“ schützend herausstechen könnte. Wie bereits erwähnt, ist eine faserreiche Kost zur Vermeidung von Darmkrebs sinnvoll und die Kalorienzufuhr sollte nicht zu hoch sein. Es macht wahrscheinlich auch Sinn, Umweltgifte zu vermeiden und so wenig wie möglich Konservierungsstoffe, wie Pökelsalze, zu konsumieren.

 

Dr. med. Eva Maria Tinner ist Oberärztin der pädiatrischen Onkologie und Hämatologie am Inselspital in Bern.

Herzlichen Dank für das Interview!

 

Mehr Informationen zur Kampagne: klick hier

Kinderkrebs Schweiz sensibilisiert die Öffentlichkeit zum Thema Kinderkrebs. Weiter werden Aktivitäten in den Bereichen Selbsthilfe, Nachsorge und Survivorship und Forschung verfolgt und angeboten.

Kinderkrebs Schweiz wirkt koordinativ, unterstützend und ergänzend zu den heute von den Mitgliedsorganisationen bereits wahrgenommenen Aufgaben.

 

Bildquellen: Kinderkrebs Schweiz, Eva Maria Tinner

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